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Gewerbepark Parsdorf / Vaterstetten

Stellungnahme des BUND Naturschutz vom 15.08.2019

Bebauungsplan Nr. 176 „Gewerbepark, nördlich der BAP 94, Logistikzentrum und großflächiges produzierendes Gewerbe- Beteiligungsverfahren gemäß § 4 Abs. 2 BauGB sowie Mitteilung des Abwägungsergebnisses vom Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 1 und Abs. 4 Abs. 1 Bau GB

Sehr geehrte Damen und Herren,
der BUND Naturschutz bedankt sich für die erneute Beteiligung an dem Verfahren und nimmt zum obigen vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahren wie folgt Stellung:

Ablehnung des Bebauungsplans:

Der BUND Naturschutz lehnt den o.a. Bebauungsplan vor allem aus ökonomischen und auch aus ökologischen Gründen ab. Da wir mit der Abwägung des Grundstücks- und Bauausschusses vom 9.7.2019, unsere Stellungnahme lediglich zur Kenntnis zu nehmen, nicht einverstanden sind, werden wir im Folgenden unsere Stellungnahme vom 13.12.2018 beibehalten und mit weiteren detaillierteren Argumenten ergänzen

Arbeitsplätze:

In der „Begründung“ zum Bebauungsplan heißt es unter Punkt 1 „Anlass der Planung“ u.a.:

….“sollen die Belange der Wirtschaft im Gemeindegebiet gefördert sowie wohnortnahe, qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen und langfristig gesichert werden.“

Das heißt natürlich nicht, dass diese Arbeitsplätze durch Bürgerinnen oder Bürger von Vaterstetten besetzt werden könnten. Die geplanten 1900 (s.S. 23 Bauausschuss) oder 2100 (s.S. 18 Begründung) Arbeitsplätze werden sicherlich zum überwiegenden Teil auch weiterhin durch eigene Mitarbeiter der beiden Unternehmen eingenommen, die dann entweder von ihrem bisherigen Wohnort nach Vaterstetten einpendeln werden oder durch einen Wohnortwechsel nach Vaterstetten den Druck auf den heimischen Wohnungs- und Immobilienmarkt vehement verstärken werden.
Nach den aktuellen Gemeindedaten des Planungsverbandes Äußerer Wirtschaftsraum (PV) sind für Vaterstetten nur 210 Arbeitslose ausgewiesen – nach der gängigen Definition herrscht für Vaterstetten also Vollbeschäftigung (siehe dazu: www.pv-muenchen.de/leistungen/daten-studien/gemeindedaten/).
Es gibt also keine Notwendigkeit, mit dem Argument „Schaffung von Arbeitsplätzen“ neue Gewerbegebiete in Vaterstetten auszuweisen.

Gewerbesteuereinnahmen:

Auch andere Gemeindedaten des PV für Vaterstetten belegen, dass es keine ökonomischen Gründe gibt, den vorliegenden Bebauungsplan zu rechtfertigen. Mit seinem Planungsumfang von 69,6 Hektar und seiner gigantischen Steigerung des Verkehrsaufkommens verstößt er gegen die Ziele der Bundesregierung, der Bayerischen Staatsregierung und des Landkreises Ebersberg, endlich effektive Maßnahmen gegen CO2-Emissionen und Klimaerwärmung zu ergreifen:

Der Schuldenstand der Gemeinde ist lt. PV in den letzten 11 Jahren um 37 Prozent von
12,5 Mio auf 7,9 Mio Euro, je Einwohner sogar um 41 Prozent (von 579 auf 341 Euro) gesunken; die Gewerbesteuereinnahmen Netto sind im gleichen Zeitraum von 198 auf 288 Euro je Einwohner um 45 Prozent gestiegen, in absoluten Zahlen ist das eine Steigerung
der Gewerbesteuereinnahmen von 4,3 auf 6,7 Mio Euro oder um +56 Prozent.

In der „Begründung“ zum o.a. Bebauungsplan heißt es unter Punkt 9 auf Seite 49 „Auswirkungen der Planung“:

….die Planungen… ermöglichen „eine stabile wirtschaftliche Entwicklung von Vaterstetten. Durch die zukünftig dort tätigen Unternehmen können die Gewerbesteuereinnahmen über einen langen Zeitraum gesichert werden.“

Dies halten wir für eine fatale Fehleinschätzung!!!

Eines der „zukünftig dort tätigen Unternehmen“ soll das chinesische Unternehmen KraussMaffei Technologies GmbH werden, das in den letzten Jahren als Spekulationsobjekt verschiedener Finanzinvestoren ausgeschlachtet wurde (s. www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/chemchina-kauft-kraussmaffei-14007631.html der Artikel in der FAZ vom 11.1.2016 – abgerufen am 9.8.2019 um 11:00 Uhr).

Aus dem in dem Artikel genannten EBITDA von 140 Millionen €uro lässt sich nicht der für die Berechnung der Gewerbesteuer relevante Gewinn ableiten. Es ist sogar möglich, dass gar kein gewerbesteuerpflichtiger Gewinn erzielt wurde.

Das zweite „zukünftig dort tätige Unternehmen“ soll das Logistikzentrum von BMW werden. Als Betriebsstätte der Münchner BMW AG wäre das Logistikzentrum allerdings kein eigenständiges Unternehmen. Der Gewinn der BMW AG München zur Ermittlung der Gewerbesteuer je Gemeinde wird auf die verschiedenen nicht selbständigen Betriebsstätten entsprechend ihrer jeweiligen Lohnsumme „zerlegt“ (s. §29 GewStG). Da dieses Lohnvolumen für die geplanten 200 Mitarbeiter des Logistikzentrums eher unter dem BMW-Durchschnitt liegen dürfte, ist davon auszugehen, dass der Gewerbesteueranteil für die Gemeinde Vaterstetten nur sehr bescheiden ausfallen wird. Die starke Abhängigkeit von den (erhofften) hohen Gewerbesteuereinnahmen dieser zwei Betriebe, würde ein erhebliches Risiko für den kommunalen Haushalt der Gemeinde darstellen.

Um die Wirtschaftlichkeit dieses Großprojektes glaubhaft zu machen, sollte eine Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellt werden, bei der nicht nur auf der Einnahmenseite die Gewerbesteuer auszuweisen wäre, sondern auf der Ausgabenseite die direkten Kosten, die indirekten Kosten für die Erweiterung der Infrastruktur in der Gemeinde (Kinderbetreuung, Hort, Schule, etc.) und die Kosten, die nur im Bedarfsfalle auf die Gemeinde zukämen (z.B. für technische und bauliche Maßnahmen, die durch die gestiegenen Verkehrsmengen ausgelöst werden).

Verkehrsaufkommen:

Wenn als Basis für das zu erwartende Verkehrsaufkommen eigentlich die Anzahl der angebotenen Mitarbeiter-Parkplätze in den beiden geplanten Parkhäusern (Parkhaus Nord=960 Parkplätze, Parkhaus Süd-Ost=775 Parkplätze) angenommen werden müsste, müssten wir von täglich fast vier Tausend Fahrzeugbewegungen allein für die Mitarbeiter ausgehen.

Dabei wäre der genannte Schichtfaktor von 40 Prozent, die Bildung von Fahrgemeinschaften, Urlaubs-, Krankheits- und andere Abwesenheitszeiten, noch nicht mit berücksichtigt, was den Parkplatzbedarf für die Mitarbeiter reduzieren würde. Eine erhebliche Anzahl der Mitarbeiter kann den Gewerbebetrieb auch über die Anbindung mit Fuß- und Radweg, mit dem ÖPNV erreichen
(S-Bahn-Haltestelle Grub S2 „das auch ein Großteil der zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Angebot intensiv nutzen wird“, heißt es auf Seite 28 der Begründung, oder über die Buslinie 452).

Unter diesen Bedingungen der unterschiedlichen Erreichbarkeit des Gewerbegebietes ist auch die Aussage auf Seite 28 absolut unverständlich:
„Aufgrund der bestehenden Betriebsanforderungen von BMW sind im SO Logistik je Beschäftigten mind. ein Stellplatz zu errichten“.

Das passt nicht zu den auf Seite 23 des Bauausschussprotokolls vom 9.7.2019 genannten 1900 Arbeitsplätzen: entweder die geplante Kapazität der Parkhäuser ist erheblich höher als benötigt oder die Anzahl der Arbeitsplätze ist zu niedrig angesetzt.

Eine weitere Diskrepanz stiftet Verwirrung: in der Begründung heißt es auf Seite 28 ….“wird der Großteil der Mitarbeiter, Kunden und Besucher in den beiden Parkhäusern….parken.“

In dem Energiekonzept auf Seite 9 dagegen steht: „Die Parkhäuser sind ausschließlich nur für die Nutzung von betriebseigenen Mitarbeitern konzipiert“. Über die Anzahl der im Freien angebotenen Kundenparkplätze und das erwartete Verkehrsaufkommen für die LKW werden in der „Begründung“ zum Bebauungsplan keine Angaben gemacht.

Uns liegt keine Information vor, von welchem angenommenen Wohnort, auf welchem Weg, mit welchem Verkehrsmittel die geplanten 1900, bzw. 2100 Mitarbeiter des Gewerbegebietes ihren Standort in Parsdorf erreichen werden. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, auf welcher Datenbasis das durch die Mitarbeiter des Gewerbegebietes induzierte Verkehrsaufkommen für die Prognose 2030 in der “Verkehrsuntersuchung Parsdorf Gewerbepark Gruber Straße“ vom 29. März 2018
ermittelt wurde.

Fazit:

Nach unserer Einschätzung wäre das so geplante Gewerbegebiet die Maßnahme im Landkreis Ebersberg, die gerade durch das induzierte Verkehrsaufkommen und den Energieverbrauch der größte CO2-Emittent wäre und damit der größte Rückschlag für das vom Kreistag mehrmals einstimmig beschlossene Ziel, bis zum Jahre 2030 unabhängig zu sein von fossilen und anderen nicht erneuerbaren Energieträgern.

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Vierthaler
Ortsvorsitzender
BUND Naturschutz

Olaf Rautenberg
Kreisvorsitzender
BUND Naturschutz